Wir wünschen allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2024.

Zu Weihnachten gibt es traditionell wieder eine Geschichte von Onkel Fritz Kuder (geb. 1897 / gest. 1983), die am 18. Dezember 1969 in Feldbergs Töchterlein (Markgräfler Tagblatt) veröffentlicht wurde. Auch diese Geschichte spiegelt den Zeitgeist der Jahre 1900 bis 1910, Erzählweise, Heimatverbundenheit und die enge Verzahnung zwischen Kirche und Bevölkerung wieder.

Weitere Geschichten von Onkel Fritz:

Der edle Weihnachtswilderer

Von Fritz Kuder, Adelhausen/Dülken

Unser edler Weihnachtswilderer war kein hochalpiner Bayer oder Österreicher, der unbefugt Gamsen oder dem Steinbock nachstellte, also wilderte, er war vielmehr ein zahmer "Dinkelberger", dort selbst im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts geboren. Er war aber, wie wir noch sehen werden, doch kein gewöhnlicher "Dinkelberger". Kurz nach 1900 kam er nach Adelhausen und schlug sein Domizil im Weiler Ottwangen, in einem alten, leerstehenden Bauernhause auf. So ganz zahm war er auch nicht. Sein dunkelroter struppiger Vollbart gab ihm ein etwas wildes Aussehen, auch sein Wesen und seine Lebensart waren nicht die eines ansässigen Bauern. Von den Dorfbewohnern wurde er nur "Güdi" genannt. Bevor er nach Ottwangen kam, diente er fünf Jahre bei der französischen Fremdenlegion, das war wohl auch der Grund für sein etwas fremdes Wesen. Warum er in seiner Jugendreife dahin ging, wußte man nicht. Vielleicht hatte er in Lörrach einmal zu tief ins "Viertele" geschaut und fiel einem Werber in die Finger, die sich in der Zeit vor dem ersten Weltkriege bevorzugt in Elsaß-Lothringen, das damals ja noch zu Deutschland gehörte, und in den benachbarten deutschen Grenzstädten aufhielten. Über die Art und Weise der Werbung für die Legion gingen schon immer die wunderlichsten Geschichten durch die Lande. Feststeht, daß die von Frankreich ausgesandten und gut bezahlten Werber jedes Mittel anwandten, um zum Ziele zu kommen. Dabei spielten verlogene Versprechungen, Alkohol und Schlaftabletten eine große Rolle, um die Jungmänner einzufangen und sie unbehelligt über die Grenze zu bringen. Nach dem zweiten Weltkriege machten es sich die Franzosen, die die Fremdenlegion nach einer Ruhepause von sechs Jahren 1946 wieder neu aufstellten, leichter. Sie steckten die freiwilligen und geworbenen Männer einfach in eine vollmilitärische Ausrüstung, einschließlich Stahlhelm und Gewehr, und fuhren sie jetzt so, als militärische Teile der Besatzungsmacht, in Lastwagen und unkontrolliert über die Grenze. Die Werber mußten schon tüchtig sein, denn Frankreich brauchte für seine afrikanischen Kolonien und Französisch- Indochina eine starke Besatzungsmacht, die sich fast ausschließlich aus Fremdenlegionären rekrutierte.


Legion als Sammelsurium

Die französische Fremdenlegion, die im Jahre 1831 von König Ludwig Philipp hauptsächlich für Algerien geschaffen wurde – in Spanien, den Niederlanden, England und Belgien wurden ebenfalls Kolonialformationen mit Legionscharakter gebildet – und später auch in Marokko und Französisch- Indochina Verwendung fand, war ein ausländisches Sammelsurium von Flüchtlingen, Deserteuren, Abenteurern und solchen mit falsch verstandenem jugendlichem Fernweh. Sie war zeitweilig 30.000 Mann stark (davon waren 70 % Deutsche), eine Elitetruppe, die sich sowohl in den Kolonien als auch im ersten und zweiten Weltkriege hervorragend bewährte. So ist auch unser "Güdi", dieser "Homosapiens" vom Dinkelberg mit seinem angeborenen Bauerngemüt damals in die Reihen dieser Legionäre reingerutscht. Als er einen schönen Morgens sein katergetrübtes Auge kreisen ließ, war er auch schon mit anderen modernen Landsknechten in einem französischen Sammellager in Marseille. Dort war der Ton schon ein militärischer, und bald ging es ab zu einer vorläufig sechsmonatigen harten Ausbildung nach Saida/Algerien und danach 6 Monate nach Sidi-Bela Best/Marokko. Man erhielt auch eine Ausbildung für den Dschungelkrieg, der uns ja heute in moderner Form mit all seinen Grausamkeiten in Vietnam vorexerziert wird.

Keine nationalen Unterschiede

Nach diesen 12 Monaten war man schon ein brauchbarer Soldat. In den Reihen auf dem Exerzierplatz gab es keine Nationen, keine Schuldigen und Unschuldigen mehr, da stand nur noch der Schmidt, der Kunz, der Dupont u. a. nebeneinander und Legionssoldaten. Mörder und andere Schwerverbrecher wurden nach Bekanntwerden ihrer Taten allerdings aussortiert und u. U. sogar ausgeliefert. Im Sommer 1967 startete Spanien wieder eine Pressewerbung für seine Legion. Darin wurde erwähnt, daß Männer zwischen 18 und 30 jetzt ohne Prüfung ihrer Vergangenheit aufgenommen würden, also auch Schwerverbrecher. Auch da beträgt der Anteil der Deutschen so dreißig Prozent. Im spanischen Bürgerkrieg wurde die Legion unter dem wohl berühmtesten Kommandeur, dem heutigen Staatschef Franco, eingesetzt. Für Straftaten in der Legion selbst (Diebstahl, Desertion und andere Delikte) kam man in die Strafkolonie nach Colum-Bechar, einer Oase in der Wüste Sahara. Die Strafzeit mußte nachgedient werden. Für die "Anständigen" war die Behandlung nach der Ausbildung nicht schlecht. Vor dem zweiten Weltkrieg, in dem die Japaner Indochina besetzten und die Legionäre in japanische Gefangenschaft gerieten, gab es auch Schulen für die Beförderung und Freizeiteinrichtungen. Die schönste Freizeitgestaltung war für die Indochinalegionäre wohl das Zusammensein mit den schönen Mädchen von Saigon.

Hat "Güdi" ein Schätzchen gehabt?

Ob unser „Güdi" auch so ein Schätzchen gehabt hat, war nicht bekannt, jedenfalls kam er verheiratet nach Ottwangen, und die Liebe in der Heimat muß wohl auch vorhanden gewesen sein, denn so fünf Kinder waren im Laufe der Zeit die Krönung der kleinen Gemeinschaft. In meinem Artikel "Dorfkindtaufe Anno dazumal" (November 1968) habe ich eine fürstliche Taufe eines "Güdikindes" geschildert. Eine feste Arbeitsstelle hatte unser Berglandsmann nicht. Das war ihm nach so einer Vergangenheit auch zu unromantisch, er liebte die Abwechslung. Im Sommer half er, wo Not am Mann war, den Bauern, klopfte an der Lörracher Kreisstraße die Kalksteine zu Schotter, sammelte in den Gemarkungswäldern Dürrholz für Herd und Ofen. Das war die Zeit, in der er seine Familie gut ernähren konnte. Aber nach St. Martin, wenn das Bauernjahr zu Ende ging, man von der Feldarbeit zur Hausarbeit überwechselte, kamen auch für ihn und seine Familie schlechtere Zeiten. Mit Holzmachen verdiente er sich im Winter nochmals einen schönen Groschen, aber dieser reichte nicht für die ganzen Monate, und die Gaben der Bauern waren aufgebraucht. Die paar Male, wo er von Notschlachtungen im Dorfe etwas mitbekam, wurden immer seltener. Jedenfalls war im Winter der Küchenmeister "Schmalhans" oft bei ihm zu Gaste. Unser "Güdi" wußte sich aber zu helfen. Wofür hatte er bei der Legion den sechsten Sinn zur Meisterung aller Fälle mitbekommen? Wo die geregelte Hilfe versagte, mußte etwas anderes unternommen werden, dafür war seine Liebe zu seiner "Kathrin" und den fünf Kindern zu groß. Wozu stand sein Haus alleine und in der Nähe des Waldes?


Nicht nur für die Jagdherren

Stehlen, das lag ihm nicht, aber er sagte sich, die vielen Häschen, Rebhühner, Rehe und das andere eßbare Wildgetier, das so frei in der Natur herumläuft, hat der liebe Gott nicht nur für die reichen Jagdherren geschaffen, das steht nicht im alten und auch nicht im neuen Testament. Wohl steht da im neuen unter Matthäus, Abschnitt 31 bis 34:  "Fragt ängstlich nicht, was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Euer himmlischer Vater weiß ja, daß ihr dies alles nötig habt." Der liebe Gott hat sein Versprechen wahr gemacht und der gesamten Menschheit die gute Mutter Erde mit allem, was darauf wächst, kreucht und fleucht, geschenkt. Da steht nichts von Jagdherren, von Jagd oder Fischpacht, das haben die Menschen erfunden, gegen den Willen des Schöpfers, vor dem alle gleich sind. Das war also die christliche Auffassung "Güdis" von den lebenden Schätzen dieser Erde, die sich in freier Wildbahn bewegen. So hat er es auch nicht als Sünde betrachtet, als er daranging, aus einer alten Kiste eine Hasenfalle zu machen, die er hinter dem Hause in einem ebenen Kellereingang aufstellte. Sie war so eingerichtet, daß ein Hase, der sich zu einer Kohlkrautmahlzeit in die Kiste schlich, beim Betreten eine Falle auslöste, die ihm durch ein Fallbrett den Ausgang versperrte.


Der Gang zur Falle

Jeden Morgen war sein erster Gang zur Falle, aber nichts war zu sehen und zu hören, die Falltüre stand immer offen. Doch einmal, als er an der Kiste rüttelte, gab es in derselben einen Höllenspektakel, ein Mümmelmann saß drin und kämpfte um seine Freiheit. "Güdi" stellte sich breitspurig vor das Kistenloch und zog den Schieber ganz langsam nach oben. Im Holzgehäuse ward es auf einmal ganz still, das Häschen saß geduckt in der hintersten Ecke, aber als das Fallbrett hoch genug nach oben gezogen war, machte es einen Sprung, so schnell, daß sich der "Güdi" erschreckte, und flutschte, ehe er sich versah, ihm zwischen den Beinen hindurch ins Freie. Das war auch der einzige Erfolg der so genau durchdachten "Hausjagd". Doch zu diesem Ärger kam noch ein zweiter. Die anderen Artgenossen von "Langohr" fraßen dem "Jagdanfänger" die gesamten Spitzen der noch aus dem Schnee herausragenden Rosenkohlstauden radikal ab. Ein Schuß aus einem Kleinkalibergewehr hätte ihn seinem Ziele vielleicht näher gebracht, aber dazu fehlte ihm die Courage, obwohl im Winter auf dem ganzen Dinkelberg geballert wurde und das nicht immer auf Scheiben.

Man sollte meinen, daß es bei dem Wohltand im Wirtschaftswunderland keine Wilderer mehr gäbe. Weit gefehlt. In Nordrhein- Westfalen stehen auch heute noch 3200 Wilderer in einer Wildererkartei auf der Schwarzen Liste. Sie betreiben aber ihren "Nachtberuf" nicht mit schwarzen Gesichtern und abgesägten Jagdgewehren, sondern mit Autoscheinwerfern, mit denen sie das Wild blenden und aus dem Auto heraus abknallen. So sind auf diese Weise im Jagdjahr 1965/66 in Nordrhein- Westfalen über 3000 Hasen und Kaninchen, 565 Rehe, Hirsche und anderes Schalenwild erlegt worden, hauptsächlich mit Kleinkalibergewehren. Das sind nur die erfaßten Zahlen, in Wirklichkeit liegen sie noch viel höher. Die Zahl dieser Wilderer nimmt noch ständig zu. Vielfach sind es Menschen, die die Jägerprüfung einmal abgelegt hatten, aber kein Geld für ein Jagdrevier besitzen, also aus Leidenschaft zum Wilderer wurden. -In Bayern liegen die Verhältnisse noch schlimmer.


"Hausjagd" bei hohem Schnee

Solch eine "Hausjagd", wie die von "Güdi", ist aber nur bei hohem Schnee möglich, wenn sich die Hasen oder Fasanen ihr Fressen in der Nähe der Häuser suchen. Liegt kein Schnee, ist im Wald und auf dem freien Feld genügend Futter vorhanden. So lagen auch die Verhältnisse in einer Weihnachtswoche. Kein Schnee, keine Aussicht auf einen "Hausfang". "Güdis" Bratpfanne lag kalt und trocken im "Chuchichämmerli" auf einem Schaft im "Chuchichensterli", kein Bröckchen Fleisch im Haus, nur etwas Sauerkraut im "Ständeli", etwas Winterkraut im Garten und etwas an Mehl. Das waren die ganzen Vorräte. Das reichte nicht für eine Weihnachtsfreude, auf die fünf Kinder und die Eltern warteten. "Güdi" saß im "Schopf" auf einem Spaltklotz und überlegte: "Wenn also kein solch begehrtes Wesen durch Gottes Fügung zu mir kommt, muß ich halt auch nach Gottes Willen zu ihm gehen, zu ihm in den Wald." Seine Winterbeschäftigung an manchen Tagen, das Sammeln von Besenreisig, aus dem er Besen für Bauern und Stadtleute anfertigte, kam ihm dabei gut zu Hilfe. Auf seinen Waldgängen, rund um Ottwangen lernte er auf Grund seines sechsten Legionärsinnes nicht nur die Vogel- und Tiersprache kennen, sondern auch alle Rehfährten, Hasenspuren und Fasanengeläufe waren ihm genauestens bekannt. Das geräuschlose Anpirschen hatte er in den Dschungeln in Indochina gelernt. Das ganze Waldgebiet um "Schlatt", dem "Ottwangener Berg", in der "Langmatt", rund um die "Kreuzeiche", dem "Urmis", im "Oberholz", der "Lerütti", rund um den "Wasacker" und "Erli", kannte er wie seine Westentasche.

Fünf Tage vor Weihnachten nahm er ein paar Windungen Besendraht, hängte sie auf den Unterarm, dazu eine kleine Beißzange und wetzte ab in Richtung "Oberholz". Damit niemand sah, welchem Ziele er zustrebte, bog er am Wäldchen vom "Chalchbrenner-Albert" nach links ab, oberhalb des Loches ging es durch das Buchengestrüpp und am Fuchsbau vorbei in Richtung "Ottwanger Berg", immer durch den Wald. Von dort marschierte er in Richtung "Wasacker", wo er eine gute Rehfährte wußte. Im Walde war es still, nur der "Garrulus glandarius", der Eichelhäher, der Waldpolizist vom Dienst, hatte ihn erspäht und krächzte ihm nun dauernd über den Kopf hinweg. Gerade bei diesem Gang hätte er ihn zum Kuckuck wünschen können. Kam ihm aber der "Waldhüter Otto" auch noch in die Quere, war er eben auf der Suche nach Besenreisig. Die letztere Gefahr war aber doch nicht so goß. Der grüngekleidete "Otto" mit seinem Schäferhund hielt sich in den vorweihnachtlichen Tagen mehr an den Jungtannen von Grether in der "Erlematt" und am Jungtannenwald vom "Chillofer" in der "Lerütti" auf, weil sich viele Bauern von diesen Stellen die Christbäumchen "besorgten". Hinter einer Eiche, in der Nähe der Rehfährte, blieb "Güdi" stehen, um die Lage zu peilen. Es war alles still, auch der "Markwart", wir er von Löns genannt wurde, hatte sich beruhigt.


Fährten und Schlingen

Ganz still und geräuschlos stellte unser "Schwarzjäger" die Schlinge her, brachte sie auf der Fährte sachgemäß an, indem er ein Ende des Drahtes an einer heruntergezogenen Jungbuche befestigte. Nach der Tarnung durch einige hingesteckte Zweige war sie nun auch für die Rehe nicht mehr zu erkennen. Aber dem Schlingensteller bubberte das Herz bis zum Kragenbördchen seines blau-weiß gestreiften Hemdes. Es war ja das erste Mal, daß er so etwas Ungesetzliches machte. Aber er ließ das nun vollendete Werk stehen und schlotterte auf dem gleichen Wege zurück zu seiner Kathrin. Sie durfte von seinem Vorhaben nichts erfahren, denn sie war eine christliche Frau, betete jeden Abend mit den Kindern und segnete sie. Auch unser "Güdi" war ein Mann, dem man eigentlich nichts Böses nachsagen konnte. Was er jetzt tat und vorhatte, entsprang der Liebe zu seiner Familie und wurde aus der Not geboren.

Wer möchte da Richter spielen?

Am nächsten Abend marschierte er aufgeregt auf gleichem Wege hin zu seinem Machwerk, um zu sehen, ob sich so ein armes Geschöpf in der Schlinge verhaspelt hatte. Kurz vor seinem Jagdgebiet wurde er durch ein aufspringendes Reh maßlos erschreckt. Er glaubte sich schon in den Fängen von "Ottos" Schäferhund, aber er entdeckte auch noch, daß dies rötliche Geschöpf justament auf der von ihm ausgemachten Fährte und in Richtung Schlinge weglief, hinter ihm her unser "Güdi" im "Legionärssturmschritt". Sie glauben nicht, wie unser Rehfänger laufen konnte. So ein Ackergaul von Anno dazumal war geradezu eine lahme Ente gegen ihn. An der Schlinge angekommen, merkte er, daß sein Machwerk doch nicht ganz einwandfrei war, denn die trächtige Ricke hing nur mit dem Hinterteil in der Drahtöse und zappelte mächtig. Unser "Güdi" stand einen Augenblick vor dem in Todesängsten zappelnden Geschöpf, aber noch in der richtigen Sekunde klopfte sein Dinkelberger Bauernherz mächtig gegen die Rippen der Legionärsbrust. Mit einem Satz war er bei dem Tier und zwickte mit seiner Beißzange die hemmenden Drähte durch. Genau so schnell verschwand der noch lebende" Weihnachtsbraten". "Güdi", zum ersten Mal bleich im Gesicht vor Aufregung, hielt die Hand auf das noch immer heftig klopfende Bauernherz, aber dann wurde er ganz ruhig, entfernte die Drahtreste, knüllte sie zusammen und warf sie im hohen Bogen von sich. "Ja, ja, zwei Seelen wohnen auch in meiner Brust, aber die vom Dinkelberg isch Meischter worde. Jetz cha 's Wiähnachtchindli cho, mit oder ohni Fleisch, 's isch mir glych, i bi jetz wieder der Alt!" So sprach er laut und marschierte, jetzt über die Halde vom Ottwanger Berg, über die Wiesen, zur Kathrin. Was soll ich Ihnen berichten; es gibt noch Wunder auf dieser Welt. Als "Güdi" so eine halbe Stunde auf der "Chunscht" gesessen und über sein Tun nachsann, kam der "Baldi- Gustav", legte zwei große Würste und ein Stück Fleisch auf den Tisch. Seine Worte: "So, Güdi, do isch d'Metzgete, 's isch jo so Bruch in der Nochberschaft" klangen für den wilden Jäger wie Engelstimmen. I dank d'r Guschtav, do hesch is no in der richtige Zyt 's Wiänechtchindli in's Hus brocht, i dank d'r schön." Auch Kathrin und die Kinder machten große Augen. So etwas hatte man schon lange nicht mehr im Hause gesehen. Zur Vervollständigung des Weihnachtsglückes kamen noch vor dem Fest all die anderen Nachbaren: Sutter, Chillofer, der Hanni, der Zettler und der Galli, und brachten Geschenke für die Kinder und auch für die Großen. Der reingewaschene "Halbsünder" bekam sogar eine Flasche Treber. So flogen an den Festtagen kleine Weihnachtsengelchen unsichtbar durch das Haus "Güdi" und streuten in alle Räume Glück und Freude.