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geschrieben von Daniel Kähny und Max Schlenker

Hochlöbliche Kaiserlich Erzherzogliche Vorderöstreichische Regierung! Der Schulhalter zu Eichsel in der Kameralherrschaft Rheinfelden Joseph Liesenfeld hat seine untergebene Jugend dergestalt zweckwidrig unterwiesen, daß seine Schüler kaum etwas lernen, schlecht schreiben und höchst elend rechnen konnten.“

Bei unserer Recherche zu den Schulverhältnissen in Adelhausen sind wir in einem Aufsatz von Paul Rothmund aus der Reihe Dinkelberg 1989, Heft 4 auf einen regelrechten Skandal gestoßen. Fast der gleiche Artikel erschien auch in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins Markgräflerland  Jg. 1988, H. 1, S. 37-43.

Dieser Skandal ist fast zu schade, um in den heimatgeschichtlichen Blättern zu verschwinden und bekommt hier einen eigenen Artikel.

Nachdem es zu Beschwerden der Bevölkerung über Schulhalter Joseph Liesenfeld kommt, müssen die vorderösterreichischen Regierungsvertreter in Freiburg einen Schulaufseher nach Eichsel schicken, um Missstände an der Dinkelbergschule zu untersuchen. Dieser trifft im Juni 1792 in Eichsel ein, führt einige Untersuchungen durch und ist schockiert. Er meldet über Liesenfeld: „Sein Alter macht ihn zum Sonderling; der Wein ziehet ihn oft von Schule und Unterricht ab.“ Und die Lage sei sogar so schlimm, dass „die Jugend in allem weit zurück und Eichsel die elendest bestellte Schule sey.“

Der Schulaufseher merkt sofort, dass der Fall unmittelbar an die nächsthöhere Stelle gehen muss. Er empfiehlt seinen Vorgesetzten in Freiburg das Abhalten einer Schulvisitation unter Oberkommissar Schernberg. Dieser trifft einige Wochen später in Eichsel ein. Für den Ort ist das ein unangenehmes Prozedere, denn Schernberg und seine Kommission trommeln den Ortspfarrer Joseph Martin, den Stabhalter sowie Vertreter der Gemeinden Obereichsel, Niedereichsel, Adelhausen und Rapperswil zusammen, die alle Bericht erstatten müssen.

Schernberg fasst schließlich zusammen: „Unter 124 Schülern findet sich kein einziger, der nur die Buchstaben auf der geschriebenen Buchstabier-Tabelle kennet; eine Schrift zu lesen, davon ist nur gar keine Rede.“ Lesen und schreiben können die Schüler nicht und es gibt auch „nur 5 Knaben wovon der Beste höchstens mit 2 Zahlen zu dividieren weiss.“

Ein Lehrer ist zu dieser Zeit keineswegs ein akademisch ausgebildeter Pädagoge sondern meist ein Kirchendiener, Mesner (Sigrist) oder Organist. Oft muss er seinen Lebensunterhalt noch durch weitere Tätigkeiten aufbessern. Auch das zeigt sich bei Liesefeld, wobei er aber den Unterricht vernachlässigt. Er „pfuschet noch immer in der Chyrurgie, macht den Empiriker, schwärmt mit der Lanzette und Barbierschüssel im Lande herum und endigt sein Tagwerk auf der Zechbank, von der er nicht wieder aufsteht, bis er voll auf ist. Eine Wirkung davon war am Visitazionstage an seiner Nase, die er am Vorabende im Weintaumel um Stein und Erde schlug, sehr karakteristisch ausgezeichnet.“

Den Unterricht leitet mitunter Liesenfelds 18jähriger Sohn, doch „dieser lose Bub versteht von der Lehrart nichts, und, was das schlimmste ist, setzet er den noch unschuldigen Schulmägdchen nach.“

Die Befunde reichen der Kommission: Liesenfeld und sein Sohn werden abgesetzt und gegen Clemens Fröhlich ersetzt. Da Liesenfeld aber nicht mehr der Jüngste ist, stellt sich noch die Frage nach der Pension. Aber auch hier ist die Kommission hart: „Liesenfeld verdient wegen strafbarer Vernachlässigung seiner Pflichten, von dem Lehr- und Sigristenamt abgesetzt zu werden, selber hat also keinen Anspruch auf die Einkünfte des Schul- und Sigristendienstes zu machen.

Liesenfeld wird also entlassen und durch Fröhlich ersetzt. Die Geschichte ist damit aber noch nicht zu Ende, denn die Frage nach der Pension beschäftigt die Kommission und Schulbehörde weiter. Darauf wird nun nicht mehr eingegangen, das würde den Umfang eines Blog-Artikels sprengen. Die ausführliche Version können sie digital in den "Freiburger historischen Beständen - digital" nachlesen.

Zu weiteren Beschwerden über den Lehrer in Eichsel ist es in der Folge aber nicht mehr gekommen. Die Erlebnisse mit Lehrer Liesenfeld mögen aber dazu beigetragen haben, dass auch in der Umgebung allmählich eigene Dorfschulen entstehen – etwa knapp 10 Jahre später in Adelhausen.